Seit zirka 20 Jahren wird an der Grundschule Attenkirchen eine Kunst AG angeboten.
In diesem Zeitraum wurde durch die Schulleitung immer die Möglichkeit zu kreativen Aktivitäten an der Schule unterstützt.
Was kreative Menschen schon lange vermuten oder erfahren, hat eine aktuelle Londoner Studie (University College London, Fancourt/Steptoe 2019) wie viele andere Studien auch belegt, dass die Beschäftigung mit Kunst die Lebenszufriedenheit und bei älteren Menschen sogar die Lebenserwartung steigern kann.
Aber ohne auf die Wirkung der Kunst als Lebenselexier zu spekulieren lässt sich die beruhigende, emotional ausgleichende Wirkung der Beschäftigung mit Kunst in den verschiedenen Situationen der Praxis beobachten: unruhige Kinder werden ruhiger, unsichere Kinder selbstbewusster. In kommunikativen Phasen, in der Begegnung mit der Biografie der Künstler, in der Partner- oder Gruppenarbeit oder in der Reflexion der Arbeitsergebnisse wird die Selbst- und Fremdwahrnehmung ausgebildet. Natürlich werden diese sozialen Kompetenzen auch im anderweitigen Schulunterricht gestärkt.
Allerdings trägt das konkrete Handeln und die Beschäftigung mit der Herstellung eines realen und mit allen Sinnen erfassbaren Gegenstandes zur Stärkung des Individuums sowie der Gruppe bei. In gelegentlich stattfindenden Ausstellungen können die Kinder sich auch vor ihren Eltern mit unbekannten Fähigkeiten präsentieren. Viele Arbeiten, die inzwischen die Schule schmücken, sind in dieser Zeit entstanden und geben der Schule einen heiteren farbenfrohen Anstrich.
Dabei werden neben zweckgerichteten Arbeiten wie die Teilnahme an Wettbewerben, z.B. mit dem Bayerischen Rundfunk sowie dem Bund deutscher Kunsterzieher, auch experimentelle und freie Erfahrungen mit Techniken angeboten. Neben der Vermittlung von verschiedenen Techniken wie Malen mit Acryl auf Leinwand, verschiedenen Drucktechniken, Collage- und Sgrafittoverfahren, Aufbau von Plastiken und Objekten steht das Kennenlernen von Kunst und Künstlern der verschiedenen Epochen im Vordergrund. Dabei steht in der Kunst AG weniger die Ergebnisorientierung mit genauen Vorgaben wie im konventionellen Kunstunterricht oder im Werkunterricht im Fokus. Auch gibt es keine Benotung der Ergebnisse, kein „richtig“ oder „falsch“ wie im übrigen Unterricht. Mit der Motivation durch Material, einem weit gefächerten Gestaltungsrahmen und der beratenden Begleitung des Gestaltungsprozesses steht hier der Prozess selbst an erster Stelle. Es wurden in den vergangenen Jahren Schwerpunkte auf die Begegnung mit verschiedenen Künstlern wie Friedensreich Hundertwasser, Antonio Gaudi, James Rizzi, Paul Cézanne, Victor Vasarely, Franz Marc, Paul Klee, Wassily Kandinski, Andy Warhol und viele mehr, zuletzt die japanische Künstlerin Yayoi Kusama gelegt.
Die unvoreingenommene Aufgeschlossenheit der Kinder im Grundschulalter machen vielfältige Zugänge zu den Werken der Künstler jeder Kunstepoche möglich. Das Erfassen von Bildkomposition und Farbwirkung wird durch die Methode der Collage spielerisch und mit verschiedenen Elementen in den Focus gerückt. Als Beispiel ist
hier die Collage aus vorgegebenen oder selbst gestalteten Elementen von Tafelgeschirr, einem Papiertaschentuch und dem nach Paul Cezanne geschaffenen Stilllebens zu sehen. Die Verwendung von professionellen Künstlerfarben, die von der Schule zur Verfügung gestellt werden, machen die Arbeiten zu langlebigen und lichtec
hten kleinen Kunstwerken. Ebenso werden Themen gewählt, die vom Interesse der Altersgruppe ausgehend eine Reflexion des eigenen Ich in Bezug auf seine Wirkung im Kontext der Gruppe zulassen. Der Umgang mit dem eigenen Bildnis wird geschult, was im Zeitalter der „Selfies“ eine nicht zu unterschätzende Kompetenz darstellt. Das Eingehen auf aktuelle Situationen ist bei der Gestaltung von jahreszeitlich oder Ereignis bezogenen Anlässen genauso gegeben wie die Auseinandersetzung mit der augenblicklichen Krisensituation. Etwas für die Kinder Unfassbares und Unbegreifliches wird durch die Bildproduktion oder der Gestaltung von Schutzmitteln in Form der Bemalung von Mund-Nasenschutz fassbar und handelbar. Die Begeisterung der AG Teilnehmer und die unermüdliche Freude am kreativen Tun lässt die gesicherte Schlussfolgerung zu, dass das Bedürfnis, kreativ zu agieren in vielen Kindern angelegt ist und ihnen Möglichkeiten für die Zukunft öffnet. Durch die frühestmögliche und kontinuierliche Förderung dieser Anlagen wird ein nicht unerheblicher Beitrag zur Persönlichkeitsbildung geleistet.
G.Thekale